Wie elektronische Kurzmitteilungen digitale Kommunikation beeinflussen.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

11.11.2019

Wie elektronische Kurzmitteilungen digitale Kommunikation beeinflussen. Eine empirische Analyse kommunikationssoziologischer Fragestellungen in der privaten und beruflichen Kommunikation. Der hier folgende Text wurde u.a. im prmagazin - das Magazin der Kommunikationsbranche, Ausgabe 07/2019, veröffentlicht.



1 Einleitung
Das Versenden elektronischer Kurzmitteilungen hat sich zweifellos in den letzten Jahren weltweit durchgesetzt. Im Jahr 2018 betrug die Anzahl der in Deutschland versendeten Kurznachrichten per SMS laut Bundesnetzagentur rund 9 Milliarden (s. Abbildung 1).












Abbildung 1: Anzahl der versendeten SMS in Deutschland von 2000 bis 2017 (in Milliarden; Quelle: Bundesnetzagentur 2019/Statista ID 155052)

Der Rückgang der versendeten SMS ist in erster Linie durch die flächendeckende Verbreitung von Smartphones und die damit einhergehende Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp zu erklären. Im Oktober 2018 gaben 50 Prozent der Befragten einer Erhebung von MessengerPeople/YouGov in Deutschland an, mehrfach pro Tag Messenger-Dienste wie WhatsApp, Facebook Messenger, Android Messages, iMessages oder Skype zu nutzen.

Die Forschung zur SMS-Kommunikation und zu weiteren elektronischen Kurzmitteilungsdiensten, wie bspw. WhatsApp, gilt im (kommunikations-) wissenschaftlichen Bereich als weitgehend unterrepräsentiert. Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen sind vor allem im Feld der Linguistik entstanden, wobei die Bearbeitung von Verstehensproblemen und Antworterwartungen untersucht wurde. Weitere inhaltsanalytische Arbeiten befassen sich mit dem Anlass der elektronischen Kommunikation. So ist meist eine räumliche oder persönliche Distanz Anlass einer solchen Kommunikation, beispielsweise Absagen und Verabredungsablehnungen in der SMS-Kommunikation. Oder dass computervermittelte Kommunikation vor allem in der privaten Kommunikation genutzt wird, wenn eine face-to-face Situation ggf. zu emotional werden könnte.

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind kommunikationssoziologische und psychologische Fragestellungen, welche sich mit der Wahrnehmung und der Interpretation von elektronischen Kurzmitteilungen beschäftigen. Im Fokus der Untersuchung stehen Fragen nach einer zielgerichteten Kommunikation im privaten und insbesondere auch beruflichen Kontext.


2 Grundlagen elektronischer Kurzmitteilungen

Einführung und begriffliche Abgrenzung

Lange Zeit wurden unter „Kurznachrichten“ ausschließlich SMS verstanden. Mit der allmählich flächendeckenden Verbreitung der Smartphones und den damit verbundenen umfassenderen technischen Möglichkeiten, verlagerte sich jedoch der Schwerpunkt zunehmend auf andere Formen der Kurznachrichten. Einhergehend mit der zunehmenden Verbreitung von internetfähigen Smartphones und schnelleren mobilen Breitbandnetzen verläuft auch die zunehmende Beliebtheit von Instant-Messaging-Diensten wie beispielsweise WhatsApp, Threema, Viber, Facebook Messenger, die nicht nur mehr Zeichenspielraum erlauben, sondern auch das Versenden von multimedialen Inhalten, wie Video- und Audiodateien sowie Bildern.

WhatsApp steht in dieser Studie stellvertretend für internetbasierte Instant-Messaging-Dienste. Die Forschungslage zu derartigen Nachrichtendiensten ist bislang noch von geringer Größe und Referenzstudien sind kaum zu finden. Sowohl Short Message Services als auch WhatsApp & Co. werden in der Literatur generell als schriftbasierte, computervermittelte quasi-synchrone Kommunikation (Computer-Mediated-Communication) betrachtet.

Die zunehmende Relevanz der Messenger-Dienste im privaten Umfeld führt automatisch zur Frage, wann und in welchem Rahmen diese Kommunikationsform eine Rolle in der internen und externen Unternehmenskommunikation finden wird. Die Bedeutung der Social Media Kanäle Facebook, Twitter und Co. werden von den Marketing- und PR-Abteilungen bereits erfolgreich für ihre Zwecke eingesetzt. Bei der Verwendung der Messenger-Dienste zögern sowohl Unternehmen als auch viele Anbieter. Primäre Gründe hierfür sind der mangelnde Datenschutz und die Kommunikation in geschlossenen Räumen, die keinerlei Rückschlüsse auf diskutierte Themen und weitere Vernetzungen erlauben und somit anknüpfende Marketingaktivitäten erschweren (Lukaßen 2015). Dennoch nutzen zahlreiche Unternehmen in Deutschland bereits Messenger-Dienste zur Kommunikation mit den Kunden, bspw.: Der Hamburger Flughafen, die Schwarzkopf-Marke got2be, Telekom , Zalando oder Daimler. Auch werden zunehmend Newsletter über WhatsApp versendet. Zudem verbreiten Zeitungen und Nachrichtensender ausgewählte Nachrichten auf die Smartphones der User. Wie bereits erwähnt hat die SMS in den letzten Jahren gegenüber anderen zunehmend Instant-Messenger enorm an Bedeutung verloren. Die Bedeutung von WhatsApp nimmt dagegen sukzessive weiter zu (vgl. Abbildung 2).









Abbildung 2: WhatsApp-Nutzung nimmt weiter zu (WhatsApp 2018)

Die häufige Nutzung des Smartphones und der Messenger-Dienste ruft zahlreiche Kritiker auf den Plan. Ein zentraler Kritikpunkt beinhaltet die Veränderungen der sozialen Kompetenzen und der Face-to-Face Kommunikation. Hermanni (2015) weist in diesem Kontext darauf hin, dass zwischen einer privat geführten zweideutigen Kommunikation via elektronischer Kurzmitteilungen und einem Entfremdungsprozess bei einer Partnerschaft ein Zusammenhang bestehen kann: „Je diffuser und somit mehrdeutiger eine schriftliche Kurzmitteilung verfasst wird, desto wahrscheinlicher führt es zu Missverständnissen, die sogar emotionale Diskrepanzen in einer Beziehung hervorrufen können. Durch eine unpräzise Aussage oder irritierende Darstellung eines Sachverhalts werden bei einem Partner unbewusste Prozesse im Unterbewusstsein ausgelöst, die ambivalente Gefühle entstehen lassen.

Kritisch zu hinterfragen ist ebenfalls die Konstellation, dass die Hand der Smartphone-Besitzer quasi reflexartig zum Handy wandert, sei es während Wartezeiten, beim Essen oder auch mitten in einem realen Gespräch. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Phubbing“ erfasst worden. Dieser setzt sich aus den Worten „phone“ und „snubbing“ (im Deutschen „jmd. vor den Kopf stoßen“) zusammen und bezeichnet das Lesen von Nachrichten oder andere Beschäftigung mit dem Smartphone im Beisein einer anderen Person. Die bessere Vernetzung führt durchaus zu immer größerer realer Entfernung. Ärzte sehen den Ursprung der suchtartigen Smartphone-Nutzung bei Jugendlichen im Glückshormon Dopamin, welches beim Empfangen neuer Nachrichten und der Sichtung neuer Likes freigesetzt wird.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die durch die Verwendung der Messenger-Dienste verkümmerte Sprachfähigkeit. Die Funktion des regulären Telefonats ist nur noch von sekundärer Bedeutung. Die tastaturbasierte Kommunikation führt zu einer neuen Schriftlichkeit, die von spontaner und dialogischer Natur ist (Dürscheid et al. 2010, S. 2). Kritiker weisen auf eine dadurch bedingte Verschlechterung der Kommunikations- und Sprachfähigkeiten insbesondere bei der Generation Y hin.

Hinzu kommt, dass Personen immer häufiger Emoticons als Ersatz oder Ergänzung für Textnachrichten betrachten. Hermanni warnt vor „verschlüsselten Botschaften“ bei einem persönlichen Schriftverkehr, der wichtige Inhalte transportieren soll: „Emoticons, die in der schriftlichen Kommunikation Stimmungs- oder Gefühlszustände ausdrücken, stellen keinen Ersatz für Kurzmitteilungen in geschriebener Form dar. Dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass nicht jeder Empfänger von Kurzmitteilungen in der Lage ist, Emoticons richtig zu deuten bzw. zu interpretieren“ (Hermanni 2015, S. 1).

Der Diskurs zur Qualität der Kommunikation bei jugendlichen Nutzern neuer Medien variiert und ist zwischen Pessimismus und Optimismus breit gefächert. 65% der Teilnehmer einer aktuellen Umfrage befürchten den Verfall der deutschen Sprache (IfD Allensbach 2018). Kritiker bemängeln eine Verarmung des Sprachvokabulars, eine Anhäufung von Anglizismen, Kunst- und Modewörtern, eine inkorrekte Anwendung der Grammatik sowie mangelnde Rechtschreibkompetenzen.


3 Forschungsmethodik der empirischen Untersuchung
Der Fokus der vorliegenden empirischen Studie wurde auf neun Forschungsfragen gelegt, die an späterer Stelle aufgelöst werden. Diese leiten sich inhaltlich aus den bisher vorgestellten theoretischen Modellen sowie zudem aus praxisrelevanten Fragestellungen ab. Der in der vorliegenden Studie eingesetzte Fragebogen gliedert sich in sieben Dimensionen:

1. Nutzungsgewohnheiten,
2. Kommunikationspartner,
3. Inhalte von Kurzmitteilungen,
4. Formelle Gestaltung von Kurzmitteilungen,
5. Missverständnisse durch Kurzmitteilungen,
6. Zwischenmenschliches Verhalten,
7. Soziodemographische Variablen.

Um die Passgenauigkeit des geschaffenen Instrumentes für die Untersuchung zu überprüfen, wurde vor Beginn der Hauptuntersuchung zunächst ein Pretest des Fragebogens durchgeführt. Die Erhebung der Daten zur Studie stammt aus 2016, die Auswertung der Ergebnisse erfolgte in 2017. Im Hinblick auf den Veröffentlichungszeitraum wurde das Quellenmaterial in der Arbeit um aktuelle Daten ergänzt.


4 Ergebnisse
4.1 Einführende Bemerkungen

Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse der Hauptuntersuchung dargestellt. Die deskriptiven und inferenzstatistischen Auswertungen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS durchgeführt.

4.2 Deskriptive Auswertung
Insgesamt lagen zum Ende der Erhebungsperiode N = 448 vollständig ausgefüllte Fragebögen vor. Die Beendigungsquote lag bei 57.4 %, so dass kritisch zu erwähnen ist, dass 42.6 % der Probanden die Befragung abgebrochen haben. Die meisten Abbrüche wurden auf der ersten Seite des Fragebogens festgestellt. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Fragebogens lag bei 21 Minuten. Die Stichprobe setzt sich aus n = 320 (71.4 %) Frauen und n = 128 Männern (28.6 %) im Alter von 15 bis 71 Jahren (arithmetisches Mittel = 30 [Jahre], Standardabweichung = 11,2 [Jahre]) zusammen, mit den unterschiedlichsten akademischen Hintergründen.

Tabelle 1: Relative und absolute Häufigkeiten zur Auswahl von Kommunikationsmittel zur beruflichen und privaten Kommunikation (Mehrfachnennungen möglich)

Kommunikationsmittel

Beruflich

Privat

SMS

48.9 % (n = 219)

77.5 % (n = 347)

WhatsApp

56.5 % (n = 253)

92.6 % (n = 415)

Facebook Messenger

12.7 % (n = 57)

61.4 % (n = 275)

iMessage

10.9 % (n = 49)

19.0 % (n = 85)

Jabber

2.0 % (n = 9)

0.4 % (n = 2)

Viber

0.7 % (n = 3)

2.9 % (n = 13)

Threema

1 % (n = 6)

8.5 % (n = 38)

Telegram

0.7 % (n = 3)

2.7 % (n = 12)

Weitere Messenger-Dienste

8.9 % (n = 40)

4.9 % (n = 22)

Keine

22.3 % (n = 100)

0.9 % (n = 4)

Aus der graphischen Darstellung lässt sich ableiten, dass sowohl SMS Dienste, also auch Messenger Apps, wie WhatsApp eine sehr starke berufliche als auch private Nutzung erfahren. Der Facebook Messenger hingegen wird deutlich stärker im privaten als im beruflichen Umfeld genutzt. Besonders fällt auf, dass fast ein Viertel der Befragten keinen der aufgeführten Nachrichtendienste in der beruflichen Kommunikation nutzt. Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass besonders im beruflichen Umfeld noch weitere Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen müssen.

Tabelle 2: Relative und absolute Häufigkeiten der Auswahl zusätzlicher Kommunikationsmittel (außer Kurznachrichten) zur beruflichen und privaten Kommunikation (Mehrfachnennungen möglich)

Andere Kommunikationsmittel

Beruflich

Privat

Telefongespräche

95.8 % (n = 429)

97.5 % (n = 437)

Persönliche Gespräche

92.9 % (n = 416)

96.7 % (n = 433)

E-Mail

93.8 % (n = 420)

76.3 % (n = 342)

Briefe

31.3 % (n = 140)

33.9 % (n = 152)

Voicemail/ Sprachnachrichten

12.3 % (n = 55)

27.7 % (n = 124)

Videochats

17.9 % (n = 80)

40.2 % (n = 180)

Keine

1.6 % (n = 7)

0.4 % (n = 2)


Ein Blick auf die relativen Häufigkeiten zeigt, dass den Telefonaten und den persönlichen Gesprächen sowohl im Berufsalltag als auch im Privatleben eine besondere Wichtigkeit hinsichtlich der zusätzlichen Kommunikationswege beigemessen wird. Der Austausch von E-Mails besitzt im beruflichen Umfeld eine deutlich höhere Relevanz als im privaten Umfeld, wird aber auch dort noch als entsprechend wichtig eingestuft.

Abbildung 3 verdeutlicht, dass Kurznachrichten überwiegend in der privaten Kommunikation verwendet werden, also mit Partnern, der Familie und mit Freunden. In einigen Bereichen, wie der Kommunikation mit Kollegen handelt es sich um eine Grauzone zwischen beruflichem und privatem Austausch, da hier erfahrungsgemäß Themen aus beiden Bereichen aufgegriffen werden. Ein rein beruflicher Austausch via Kurzmitteilung, etwa mit dem Vorgesetzten, ist eher selten anzutreffen und zurzeit (noch) keine gängige Praxis.

















Abbildung 3: Relative Häufigkeit der Intensität der Nutzung von Kurzmitteilungen differenziert nach verschiedenen Gruppen von Kommunikationspartnern


5 Beantwortung der Forschungsfragen

Im vorliegenden Kapitel sollen nun die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung der Forschungsfragen präsentiert werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 1: Um die empfundene Wichtigkeit einer korrekten Rechtschreibung in Kurznachrichten zu erfassen, wurden innerhalb des Fragebogenabschnitts zur Gestaltung von Kurzmitteilungen die folgenden beiden Items eingesetzt: „Im privaten Gebrauch von Kurznachrichten lege ich weniger Wert auf Rechtschreibung und Zeichensetzung“ (F1Var1) sowie „Nutze ich Kurznachrichten beruflich, achte ich verstärkt auf korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung“ (F1Var2).

Tabelle 3: Verteilung der Zustimmung zur Aussage F1Var1 (Geringe subjektiv empfundene Wichtigkeit einer korrekten Orthografie in privaten Kurznachrichten)


%

n

Trifft zu

17.0 %

76

Trifft eher zu

20.8 %

93

Teils, teils

13.8 %

62

Trifft eher nicht zu

22.3 %

100

Trifft nicht zu

25.9 %

116

Gesamt

100 %

448


Tabelle 4: Verteilung der Zustimmung zur Aussage F1Var2 (Hohe subjektiv empfundene Wichtigkeit einer korrekten Orthografie in beruflichen Kurznachrichten)


%

n

Trifft zu

73.0 %

327

Trifft eher zu

16.3 %

73

Teils, teils

3.8 %

17

Trifft eher nicht zu

1.1 %

5

Trifft nicht zu

5.1 %

23

Fehlend

0.7 %

3

Gesamt

100 %

448


Es fällt besonders auf, dass in der beruflichen Kommunikation verstärkt auf eine korrekte Orthografie geachtet wird. Insgesamt 89.3 % (n = 400) bestätigen diese Aussage. Aber auch in der privaten Kommunikation sind Rechtschreibung und Zeichensetzung von hoher Bedeutung. Die Forschungsfrage „Beim Verfassen von Kurznachrichten unterlaufen vielfach orthografische Fehler, welche besonders in der privaten Kommunikation anstandslos toleriert werden, während in der beruflichen Kommunikation vermehrt auf eine korrekte Rechtschreibung geachtet wird“ kann also nur in Teilen bestätigt werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 2: Um die  Forschungsfrage „Beim Verfassen von Kurzmitteilungen werden weitgehend so genannte Benimmregeln (Etikette) ignoriert, was zu Missverständnissen in der Kommunikation führt“ zu überprüfen, wurden die Items „Nutze ich Kurznachrichten beruflich, achte ich auf die Verwendung der richtigen Umgangsformen, wie Begrüßung oder Verabschiedung“ (F2Var1) sowie „Im privaten Gebrauch von Kurznachrichten lege ich Wert auf Umgangsformen, wie Begrüßung und Verabschiedung“ (F2Var2) herangezogen.

Tabelle 5: Korrelation nach Pearson (n = 448, **p ≤ 0.01 (2-seitig)) zu Forschungsfrage 2
Missverständnisse privat Missverständnisse beruflich


Missverständnisse privat

Missverständnisse beruflich

F2Var1

-.019
(.684)

.091
(.054)

F2Var2

-.138
(.003)

-.049
(.305)

Missverständnisse privat

1

.295**
(.000)

Missverständnisse beruflich

.295**
(.000)

1


Die berechneten Korrelationen zeigen, dass Missverständnisse individuell bedingt sind und nicht automatisch mit den Umgangsformen innerhalb der Kurznachrichten zusammenhängen. Wie aus Tabelle 5 zu entnehmen ist, ergeben sich zwischen den Missverständnissen sowohl beruflich als auch privat und dem Gebrauch von Umgangsformen (F2Var1 sowie F2Var2) relativ schwache Zusammenhänge, die aber nicht signifikant sind. Die Aussage der zweiten Forschungsfrage kann somit nicht bestätigt werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 3: Die Annahme, dass Formulierungen und sprachliche Ausdrücke aus dem privaten in den beruflichen Kontext übertragen werden und zu beruflichen Missverständnissen führen, wird thematisiert. Um diese Aussage zu überprüfen wurde das Item „Meine Gestaltung der Kurznachrichten orientiert sich daran, ob ich beruflich oder privat kommuniziere. Ich passe mich meinem Gegenüber an“ (F3Var1) verwendet.

Tabelle 6: Korrelation nach Pearson (n = 92, **p ≤ 0.01 (2-seitig)) zu Forschungsfrage 3


Missverständnisse beruflich

F3Var1 – NEIN

Missverständnisse beruflich

1

.152
(.148)

F3Var1 – NEIN

.152
(.148)

1


Es zeigt sich, dass nur ein schwacher Zusammenhang zwischen den entstandenen beruflichen Missverständnissen und einer nicht angepassten Form der Kommunikation besteht. Die Aussage „Leichtfertige Formulierungen hinsichtlich sprachlicher Ausdrucksweise, Stil und Ton (Diktion) werden bei Kurzmitteilungen oftmals mechanisch aus dem privaten Bereich in das geschäftliche Umfeld übertragen und führen so häufig zu Missverständnissen in der beruflichen Kommunikation“ kann demnach nicht bestätigt werden. Es ist anzunehmen, dass ein umgangssprachlicher Stil und Ausdruck in Kurznachrichten nur geringfügig zur Entstehung von beruflichen Missverständnissen beitragen.


Beantwortung der Forschungsfrage 4: Um die konkreten Ursachen für eine fehlgeleitete Kommunikation und somit resultierender Missverständnisse erfassen zu können, wurden im Fragebogen verschiedene Aussagen hinsichtlich Ursachen für Missverständnisse inkludiert, unter anderem „fehlende Körpersprache (Mimik/Gestik)“ und „fehlender Sprachkontakt (Stimmlage/Intonation)“. Eine Untersuchung, ob es sich dabei um die häufigste Ursache für Missverständnisse handelt, kann durch eine Betrachtung der Häufigkeitsverteilung, über alle dargebotenen Ursachen hinweg, vorgenommen werden.

Tabelle 7: Legende zu Tabelle 8

Variable

Frageformulierung (Missverständnisse in Kurznachrichten beruhen auf …)

F4Var1

… fehlende Körpersprache (Mimik/Gestik)

F4Var2

… fehlender Sprachkontakt (Stimmlage/Intonation)

F4Var3

... fehlender Struktur und undeutlicher Ausdrucksweise/
Satzbau/Rechtschreibung

F4Var4

… unhöflichen und zu knappen Formulierungen bzw. der Wortwahl

F4Var5

… zeitlich verzögerten Antworten

F4Var6

… fehlender räumlicher Nähe

F4Var7

… fehlender Datenübertragung (z. B. fehlende Textteile, undeutliche Bilder, verzerrte Videos etc.)

F4Var8

… Missinterpretation von Nachrichteninhalten


Tabelle 8: Verteilung der Zustimmung hinsichtlich der Ursachen für Missverständnisse durch Kurznachrichten


Trifft zu

Trifft eher zu

Teils, teils

Trifft eher nicht zu

Trifft nicht zu

F4Var1

49.3 %
(n = 221)

27.9 %
(n = 125)

13.6 %
(n = 61)

5.6 %
(n = 25)

3.6 %
(n = 16)

F4Var2

53.5 %
(n = 239)

31.1 %
(n = 139)

9.2 %
(n = 41)

3.1 %
(n = 14)

3.1 %
(n = 14)

F4Var3

30.6 %
(n = 137)

29.7 %
(n = 133)

18.8 %
(n = 84)

15.6%
(n = 70)

5.4 %
(n = 24)

F4Var4

33.9 %
(n = 152)

27.7 %
(n = 124)

23.9 %
(n = 107)

10.0 %
(n = 45)

4.5 %
(n = 20)

F4Var5

25.6 %
(n = 114)

27.8 %
(n = 124)

23.8 %
(n = 106)

15.5 %
(n = 69)

7.4 %
(n = 33)

F4Var6

20.9 %
(n = 93)

19.1 %
(n = 85)

21.6 %
(n = 96)

25.6 %
(n = 114)

12.8 %
(n = 57)

F4Var7

10.3 %
(n = 46)

11.0 %
(n = 49)

18.3 %
(n = 82)

32.2 %
(n = 144)

28.2 %
(n = 126)

F4Var8

46.4 %
(n = 207)

26.9 %
(n = 120)

19.7 %
(n = 88)

3.8 %
(n = 17)

3.1 %
(n = 14)


Abbildung 4: Verteilung der Zustimmung hinsichtlich der Ursachen für Missverständnisse durch Kurznachrichten


Die Informationen aus Tabelle 8 und Abbildung 4 zeigen, dass 84.6 % (n = 378) der Befragten den fehlenden Sprachkontakt als Grund für Missverständnisse in der kurznachrichtenbasierten Kommunikation zustimmen. Darauf folgt mit 77.2 % (n = 346) die fehlende Körpersprache als Ursache für Missverständnisse. An dritter Stelle zu nennen ist mit 73.0 % (n = 327) die Missinterpretation von Nachrichteninhalten.

Die Aussage „Der Informationsgehalt von Kurzmitteilungen ist im Vergleich zur verbalen Kommunikation beschränkt, weil nonverbale Kommunikationselemente (Gestik, Mimik und Proxemik) nicht zum Einsatz kommen. Dies ist die häufigste Ursache für Missverständnisse in der kurznachrichtenbasierten Kommunikation“ kann also anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse bestätigt werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 5: Um die Forschungsfrage „Kurzmitteilungen führen häufig zu keiner zielgerichteten Kommunikation, sondern zu Missverständnissen und Nachfragen, weil dem Prinzip der Sprachökonomie gefolgt wird (möglichst geringer Tipp- und Zeitaufwand)“ zu überprüfen, wurden drei Items zu einer Skala zusammengefasst, welche im Folgenden mit „Sprachökonomie Missverständnisse“ bezeichnet ist. Die Skala besteht aus den Items „Nach einem Austausch via Kurznachrichten, besteht häufig noch weiterer Klärungsbedarf z. B. persönlich oder via Telefon“, „Probleme und Fragen lassen sich häufig nicht durch den Gebrauch von Kurzmitteilungen klären“ und „Abkürzungen und Kurzformen in Kurznachrichten führen gelegentlich zu Verständnisproblemen“.

Tabelle 9: Korrelation nach Pearson (n = 448, **p ≤ 0.01 (2-seitig)) zu Forschungsfrage 5


F5Var1

Sprachökonomie Missverständnisse

F5Var1

1

.127**
(.007)

Sprachökonomie
Missverständnisse

.127**
(.007)

1


Es zeigt sich, dass nur ein schwach positiver Zusammenhang zwischen den Variablen besteht, der sich aber als signifikant herausstellt (r = .127, p = .007). Ein Zusammenhang zwischen einer besonders ökonomischen Formulierung von Kurznachrichten und einem zusätzlich auftretenden Klärungsbedarf bzw. Verständnisproblemen ist in der hier vorliegenden Stichprobe nur bedingt nachweisbar. Daher kann die Aussage der Forschungsfrage zwar generell bestätigt werden, allerdings nur mit dem Hinweis auf einen sehr schwachen Zusammenhang zwischen den Variablen.

Beantwortung der Forschungsfrage 6: Inwieweit Video- und Audionachrichten zur Kommunikation verwendet werden und ob es zutrifft, dass diese wiederum Missverständnissen vorbeugen können, kann zum einen anhand der Häufigkeitsverteilung der Verwendung überprüft werden und zum anderen durch den Grad der Zustimmung zur Aussage „Die Kommunikation via Voicemail oder Videochat kann Missverständnissen vorbeugen“.

54.0 % (n = 242) der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Voicemail und Videochat Missverständnisse vermindern können. Unentschlossen sind hier 31.5 % (n = 141) und weitere 13.4 % (n = 60) lehnen die Aussage ab, 1.1 % (n = 5) machten hier keine Angabe.

Tabelle 10: Nutzung von Voicemail & Videochat (Mehrfachnennungen möglich)


Berufliche Nutzung

Private Nutzung

Voicemail

12.3 % (n = 55)

27.7 % (n = 124)

Videochat

17.9 % (n = 80)

40.2 % (n = 180)

Kurznachrichten

81.9 % (n = 367)

98.9 % (n = 443)


Es wird deutlich, dass sowohl Sprachnachrichten als auch Videochat in der hier vorliegenden Stichprobe im privaten Bereich stärker genutzt werden als im beruflichen Umfeld. Die Aussage „Audio- und Videonachrichten kommen gegenüber Kurzmitteilungen (Textnachrichten) nur in Einzelfällen zum Einsatz, obwohl durch die audiovisuelle Wahrnehmung zusätzlich emotionale Eindrücke vermittelt werden und so Missverständnissen vorgebeugt wird“ kann somit bestätigt werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 7: Um die Annahme, dass die Verwendung von Abkürzungen und Sonderzeichen bzw. Emoticons zu Verständnisproblemen bei älteren Menschen führt, zu überprüfen, wurde zunächst das durchschnittliche Alter in der Stichprobe berechnet. Das Durchschnittsalter liegt in diesem Fall bei 30 Jahren. Teilt man die Stichprobe in „jung“ und „alt“ so zählen die Personen zwischen 15 und 30 Jahren, zu den „Jungen“ und Personen im Alter von 31 bis 71 Jahren zu den „Alten“.

Tabelle 11: Kreuztabelle Alter und Interpretationsschwierigkeiten in der Gesamtstichprobe


Gruppe „Alt“
(31 – 71 Jahre)

Gruppe „Jung“
(15 – 30 Jahre)

Gesamt

Interpretations-schwierigkeiten

18.0 %
(n = 80)

23.4 %
(n = 104)

41.3 %
(n = 184)

Keine Interpretations-schwierigkeiten

31.7 %
(n = 141)

27.0 %
(n = 120)

58.7 %
(n = 261)

Gesamt

49.7 %
(n = 221)

50.3 %
(n = 224)

100 %
(n = 445)

Aus der Tabelle lässt sich ablesen, dass insgesamt 41.3 % (n = 184) der Befragten angeben, gelegentlich Interpretationsschwierigkeiten von Sonderzeichen und Emoticons in Kurznachrichten zu erleben, während 58.7 % (n = 261) dem widersprechen. Insgesamt treten solche Verständnisprobleme also bei weniger als der Hälfte aller Befragten auf. Vor diesem Hintergrund wird die Aussage „Kurzmitteilungen enthalten zuweilen kryptische Texte, spezielle Abkürzungen oder graphostilistische Mittel, die einer Sonder-, Kunst- oder Standardsprache zuzuordnen sind. Es wird angenommen, dass Sonderzeichen, Smileys und Emoticons weitgehend von jungen Menschen beherrscht werden und sich bei älteren Anwendern Interpretationsschwierigkeiten ergeben“ abgelehnt.

Beantwortung der Forschungsfrage 8: Gegenstand dieser Forschungsfrage ist die Klärung, ob Missverständnisse aufgrund von Kurzmitteilungen im privaten Bereich häufiger zu Problemen führen als Kurzmitteilungen im beruflichen Bereich. Um zu betrachten in welchem Kontext Schwierigkeiten besonders häufig auftreten und welche dies konkret sind, wurden im Fragebogen die nachstehend aufgeführten Items inkludiert.

Abbildung 5: Zustimmung hinsichtlich der durch Missverständnisse verursachten Probleme aufgrund von Kurzmitteilungen privater Art


Abbildung 6: Zustimmung hinsichtlich der durch Missverständnisse verursachten Probleme aufgrund von Kurzmitteilungen beruflicher Art


Insgesamt lässt sich feststellen, dass im privaten Bereich häufiger Probleme durch Missverständnisse in Kurzmitteilungen ausgelöst werden als in der beruflichen Kommunikation. So stimmen 24.8 % (n = 111) Personen zu, wegen einer Kurznachricht schon einmal mit dem Partner, Freunden oder Bekannten gestritten zu haben, 20.8 % (n = 93) berichten von Eifersucht und 5.6 % (n = 25) von einer Trennung. Weiterhin stimmen 8.9 % (n = 40) zu, dass es durch Kurznachrichten schon einmal zu einem Kontaktabbruch gekommen ist und in 14.5 % (n = 65) zu einer unbeabsichtigten Annäherung.

Betrachtet man im Vergleich dazu die durch Kurzmitteilungen verursachten Schwierigkeiten im beruflichen Kontext, so scheinen diese kaum existent. Nur insgesamt 3.3 % (n = 15) stimmten einer solchen Erfahrung zu. Die Aussage „Kurzmitteilungen führen im privaten Bereich häufiger zu ernsthaften Schwierigkeiten, wie z. B. Streit oder Trennungen, als im beruflichen Umfeld“ kann also bestätigt werden.

Beantwortung der Forschungsfrage 9: Die These „Eine extensive Nutzung kurznachrichtenbasierter Kommunikation führt zur Abnahme der zwischenmenschlichen Interaktion, was geringere Verbindlichkeiten in der Wahrnehmung von Absprachen zur Folge hat“ wurde mittels der Items „Die Zuverlässigkeit meiner Interaktionspartner hat durch die Nutzung von Kurzmitteilungen abgenommen“, „Durch Kurzmitteilungen werden Verabredungen unverbindlicher und dadurch häufiger, auch kurzfristig abgesagt“ und „Meiner Meinung nach führen Kurzmitteilungen zu einer geringeren zwischenmenschlichen Interaktion“, überprüft.

Tabelle 12: Korrelation nach Pearson (n = 329, **p ≤ 0.01 (2-seitig)) zu Forschungsfrage 9


Folgen für zwischenmenschliche Beziehungen

Extensive Nutzer

Folgen für zwischenmenschliche Beziehungen

1

-.039
(.482)

Extensive Nutzer

-.039
(.482)

1


Es zeigt sich, dass zwischen der extensiven Nutzung von Kurznachrichten zur Kommunikation und der empfundenen Zuverlässigkeit/Verbindlichkeit von Interaktionspartnern kein signifikanter Zusammenhang zu erkennen ist. Die Annahme, dass eine extensive Nutzung kurznachrichtenbasierter Kommunikation zu einer Abnahme der zwischenmenschlichen Interaktion und geringeren Verbindlichkeiten in der Wahrnehmung von Absprachen führt, wird daher abgelehnt.


6 Fazit und Diskussion
6.1 Kritische Reflektion und Ausblick

Die Studie wurde hauptsächlich über Facebook und XING verbreitet und schließt somit Nutzer anderer sozialer Medien oder Personen, die keine Netzwerke nutzen, fast vollständig aus. Zudem wurde die Untersuchung über den E-Mail-Verteiler der SRH Fernhochschule – The Mobile University verbreitet, so dass ein Großteil der Befragten ein geringeres Durchschnittsalter aufweist als die gesamte Nutzergruppe. Weiterhin zeichnet sich dieser Personenkreis meist auch durch eine hohe IT-Affinität aus.

Ein vielversprechender Forschungsbereich für zukünftige Untersuchungen ist die Betrachtung von Unterschieden in der Kommunikation verschiedenster Alters- und Berufsgruppen, da sich Unterschiede hinsichtlich Branche und Bildungsniveau vermuten lassen. Dieser Aspekt wurde bewusst nicht in dieser Studie betrachtet, da es hierzu einer deutlich größeren Datenerhebung bedurfte.


6.2 Interpretation der Studienergebnisse
Die hier vorliegende Untersuchung bekräftigt, dass der Austausch via Kurznachrichten zu einem der wichtigsten Kommunikationswege in der zwischenmenschlichen Interaktion zählt. In der Studie gaben nahezu alle Befragten an via Kurznachrichten zu kommunizieren, was einer Abdeckung von fast 100% entspricht. Im privaten Bereich gehört die Nutzung von Kurzmitteilungen zur Selbstverständlichkeit, aber auch in der beruflichen Kommunikation kommt die Kurznachricht gele¬gentlich bis häufig zum Einsatz.

Hinsichtlich der gestalterischen Elemente in Kurznachrichten konnte festgestellt werden, dass zwar in der privaten Kommunikation allgemein weniger auf Orthografie geachtet wird als im beruflichen Austausch - ein gänzliches Ignorieren dieser Regeln ist aber auch hier nicht der Fall.

Weiterhin konnte festgestellt werden, dass Emoticons überwiegend zur Verstärkung eines Nachrichteninhalts eingesetzt werden und somit nicht die Nachricht selbst vermitteln. Interpretationsschwierigkeiten von Sonderzeichen und Emoticons treten gleichermaßen bei älteren und jüngeren Anwendern auf und führen nicht zwangsläufig zu Missverständnissen.

Der Einsatz von Bild- und Ton-unterstützten Kommunikationsmitteln, wie Voicemail oder Videochat, wird zwar als potenziell positiv bewertet im Hinblick auf einer Reduktion von Missverständnissen, kommt jedoch vergleichsweise selten zum Einsatz.

Verschiedene Theorien nehmen an, dass die Face-to-Face- Kommunikation der mediengestützten Kommunikation im Kommunikationsprozess überlegen ist (vgl. dazu u.a. Culnan und Markus 1987, Rudy 1996, Walther 1995). Neben der Botschaft ist also vor allem die Körpersprache, Mimik und Gestik, Intonation und der Kontext einer Kommunikation von Bedeutung bei der Interpretation einer Nachricht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch in dieser Untersuchung die Befragten das Fehlen von nonverbalen Kommunikationselementen und den fehlenden Sprachkontakt als Hauptursache für das Entstehen von Missverständnissen in der kurznachrichtenbasierten Kommunikation benennen.

Nach der Betrachtung der Ursachen für Missverständnisse, lässt sich abschließend noch feststellen, dass im privaten Bereich häufiger Probleme durch Missverständnisse in Kurzmitteilungen ausgelöst werden als im beruflichen Kontakt. Durch die verhältnismäßig höhere Verwendung kommt es zu mehr Kontakten und so zu mehr potenziellen Quellen für Missverständnisse und deren negativen Folgen.


6.3 Zusammenfassung
Im Hinblick auf die praktische Relevanz der vorliegenden Studie kann zusammenfassend bei einer Kommunikation, welche kurznachrichtenbasiert ist, folgendes festgestellt werden:

  • Die Ergebnisse lassen den Rückschluss zu, dass bei einer beruflichen Nutzung von Kurznachrichten verstärkt auf eine korrekte Rechtschreibung sowie Zeichensetzung geachtet wird.
  • Die Daten belegen, dass 84.4 % (n = 378) der Befragten den fehlenden Sprachkontakt als Grund für Missverständnisse in der kurznachrichtenbasierten Kommunikation ansehen.
  • Kurzmitteilungen führen häufig zu keiner zielgerichteten Kommunikation, sondern zu Missverständnissen und Nachfragen, weil dem Prinzip der Sprachökonomie gefolgt wird
  • Es wird deutlich, dass sowohl Sprachnachrichten als auch Videochat in der hier vorliegenden Stichprobe im privaten Bereich stärker genutzt werden als im beruflichen Umfeld.
  • Insgesamt lässt sich feststellen, dass im privaten Bereich häufiger Probleme durch Missverständnisse in Kurzmitteilungen ausgelöst werden als im beruflichen Bereich.
  • Empirisch belegt ist, dass zwischen der extensiven Nutzung von Kurznachrichten zur Kommunikation und der empfundenen Zuverlässigkeit/Verbindlichkeit von Interaktionspartnern kein Zusammenhang zu erkennen ist.

Kurznachrichten als zentralen Bestandteil der zwischenmenschlichen Interaktion ist es bisher nicht gelungen, etablierte Kommunikationsmittel in der beruflichen Kommunikation, wie das Telefon oder das persönliche Gespräch, zu ersetzen. Die textbasierte, meist asynchron verlaufende Interaktion via Kurznachrichten birgt das Risiko des Informationsverlustes, lässt oftmals Raum für Interpretationen und erhöht so die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen. Durch das Fehlen nonverbaler und paraverbaler Inhalte der Botschaft sowie aufgrund physischer Abwesenheit des Gegenübers können Kommunikationsinhalte gegebenenfalls nicht hinreichend verstanden werden. Nutzer von Kurznachrichtendiensten sollten sich darüber bewusst sein, dass diese Art der Kommunikation nicht an die persönliche Kommunikation heranreichen kann. Besonders komplexe Themen und Aufgaben sollten daher mittels reichhaltigerer Kommunikationswege angegangen werden, um die Anfälligkeit für Missverständnisse zu minimieren.



Quellenverzeichnis
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Culnan M J ,Markus M L (1987). Information Technologies. In: Jablin F M, Roberts, K H, Putnam L L, Porter L W (Hrsg.): Handbook of Organizational Communication. An Interdisciplinary Perspective. Newbury Park, S. 420-443.

Hermanni A-J (2015). Positionspapier zum empirischen Forschungsprojekt. Elektronische Kurzmitteilungen im Geschäftsverkehr und in der privaten Kommunikation. München.

IfD Allensbach (2018). Droht die deutsche Sprache immer mehr zu verkommen? Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/916/umfrage/meinung-zum-verfall-der-deutschen-sprache/ (zuletzt zuge¬griffen am 26. Juli 2018).

Lukaßen G (2015). So nutzen Sie WhatsApp für Ihre Marketingkommunikation. Faktenkontor. https://www.faktenkontor.de/corporate-social-media-blog-faktzweinull/whatsapp/ (zuletzt zugegriffen am 26. Juli 2018).

MessengerPeople Studie 2018 (November 2018). MessengerPeople Studie 2018 erschienen: WhatsApp schlägt Social Media und Live-Chat im Kundenservice. https://www.messengerpeople.com/de/messengerpeople-studie-2018/ (zuletzt zugegriffen am 28.05.2019).

Rudy I A (1996). A Critical Review of Research on Electronic Mail. In: European Journal of Information Systems, No. 4, 1996, S. 198-213.

Walther J B (1995). Relational Aspects of Computer-mediated Communication: Experimental Observations over Time. In: Organization Science, Vol. 6, No. 2, March-April 1995, S. 186-203.