Influencer Marketing in den sozialen Medien. Ein Meinungsinstrument der Online-Kommunikation.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

2018

Maria Ortenreiter, Prof. Dr. Frederik Ornau und ich befassten uns mit den Forschungsfragen, inwiefern Influencer Marketing in den sozialen Medien als Meinungsinstrument der Online-Kommunikation geeignet ist und welche Potenziale durch die Zusammenarbeit von Markenbotschaftern (Influencern) mit Unternehmen nachgewiesen werden können. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass es sachdienlich war, ein derartiges Projekt durchzuführen, um Erkenntnisse zu erfolgreichen Influencer Marketingkampagnen auf Social Media-Plattformen vorlegen zu können. Das Endresultat zeigt u.a., dass sowohl Chancen als auch Risiken bei einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Influencern bestehen und dass die Wirkung von Influencer Marketing größer einzustufen ist als die Möglichkeiten der klassischen Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit.



1 Einleitung
Der tiefgreifende Wandel bei der Informationsbeschaffung und beim Kommunikationsverhalten des mündigen Medienkonsumenten ist eingetreten. Während es die Rezipienten in der Vergangenheit gewohnt waren, über die klassischen Kanäle der Massenmedien passiv mit Nachrichten und Werbung versorgt zu werden, haben sie sich durch die Veränderungen des Web 2.0 emanzipiert.

Waren die Konsumenten vor wenigen Jahren gegenüber einseitigen Werbebotschaften noch weitgehend unkritisch eingestellt, so sind sie mittlerweile nahezu resistent gegen asymmetrische Marketingangebote. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sich viele Zuschauer während der Werbeunterbrechung entweder vom TV-Gerät abwenden oder den Kanal wechseln (vgl. Hettler 2010, S. 30). Dazu kommt ein weiterer Punkt: Die Internetnutzer wollen mitreden, mitgestalten und mitentscheiden – und das am liebsten in Echtzeit und auf Augenhöhe.

Einigkeit besteht in der Forschung weitgehend darüber, dass die traditionellen Marketingkanäle wenige Ansätze zur partizipativen Interaktion bieten und die sozialen Medien eine zentrale Rolle im zeitgemäßen B2C-Marketing eingenommen haben. Durch die Entwicklung mobiler Endgeräte sind die Konsumenten in der Lage rund um die Uhr Sprach- und Datenkommunikation abzurufen, sich über Produkte auszutauschen oder mit Unternehmen in Kontakt zu treten. Wo Unternehmen einst mit massiven Streuverlusten bei ihren Werbemaßnahmen konfrontiert waren, stehen ihnen heute durch die sozialen Medien wirkungsvolle und preiswerte Marketinginstrumente zur Verfügung. Insofern schlagen sich der geringe finanzielle und technische Aufwand vor allem für kleinere Unternehmen positiv zu Buche. Während bspw. früher Fernsehen und Filmtheater die alleinigen Trägermedien für audiovisuelle Inhalte waren und diese durch die systembedingte Kapazitätsbegrenzung (nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage) meist nur den großen Unternehmen vorbehalten blieb, können im Internet Werbeoder Imageproduktionen kostengünstig bereitgestellt werden.

Darüber hinaus herrscht in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass traditionelles Empfehlungsmarketing das klassische Marketing abgelöst hat. Laut einer Nielsen-Studie aus dem Jahr 2015 vertrauen über 90 Prozent der Konsumenten den Empfehlungen selbst fremder Menschen und noch 70 Prozent verlassen sich lieber auf Online-Bewertungen statt auf Werbeaussagen seitens der Unternehmen (vgl. Nielsen 2015). Hierbei lässt sich konstatieren, dass die Offerten via Empfehlungsmarketing mehr oder minder leichtfertig angenommen werden, weil die Bewertungen von Produkten oder Marken durch Internetfreunde oder Bekannte als glaubwürdig eingestuft werden.

Kurzum: Empfehlungsmarketing gehört für zahlreiche Menschen zu automatisch ablaufenden Informationsprozessen und somit zur Alltagsroutine beim Einkaufen von Waren oder Dienstleistungen. Ohne sich den nahezu reflexartigen Zugriffen auf das Internet gänzlich bewusst zu sein, verbringt ein Großteil der Menschheit seine Tage gewohntermaßen online. Im Jahr 2017 lag die durchschnittliche tägliche Dauer der Internetnutzung bei 149 Minuten laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie. Die Anzahl der Internetnutzer in Deutschland belief sich im gleichen Jahr auf 62,4 Millionen (vgl. ARD/ZDF-Medienkommission 2017).

Weiterhin kann festgestellt werden, dass sich durch die rasante Entwicklung und Verbreitung von Smartphones und Tablets auch die Art und Weise geändert hat, wie und vor allem wann wir soziale Medien nutzen. Der Großteil 7 der deutschen Bevölkerung (72 Prozent) wendet die Dienste von Facebook, Twitter, YouTube etc. unterwegs auf mobilen Endgeräten an. Dabei ist vor allem das Smartphone der mit Abstand beliebteste Zugang insbesondere bei jüngeren Usern (vgl. Heintze 2018b).

Durch unsere Interaktionen im weltweiten Internet wird das heterogene Computernetzwerk Teil unserer Lebenswirklichkeit. Private und berufliche Kommunikation und der zwischenmenschliche Aufbau sozialer Bindungen, die zuvor vorrangig Face-to-face stattgefunden haben, verlagern sich zunehmend auf den Online-Marktplatz. Nachdem Menschen sich in fast jeder Lebenslage von vertrauten Personen aus ihrem sozialen Umfeld beraten und damit auch beeinflussen lassen, überrascht es kaum, dass das Marketing die sozialen Medien für Online-Aktivitäten wie Steigerung der Marken- und Produktbekanntheit, Imageverbesserung oder Kundenbindung einsetzt, zumal Ziele und Akzeptanz bei den Nutzern direkt gemessen werden können.

Was uns direkt zu dem Forschungsgegenstand Influencer Marketing in den sozialen Medien bringt: Als ein Ergebnis der Marktstudie „Social Media-Atlas 2017/18“ kann festgehalten werden, dass 21 Prozent der deutschen Social Media-Nutzer bereits schon einmal Waren gekauft oder Dienstleistungen in Anspruch genommen haben, die von einem YouTuber beworben wurden (vgl. Heintze 2018a). Sicherlich stellen weder Empfehlungsmarketing noch das Werben mit Meinungsmachern einen neuen Standard dar (vgl. bspw. Nutella-Anzeigen mit Sportlern oder Haribo-Werbung mit Thomas Gottschalk), jedoch hat sich das Spektrum durch die sozialen Online-Plattformen stark erweitert. Angepasst an die kritische bzw. schwindende Werbegläubigkeit der Rezipienten, setzt die werbetreibende Wirtschaft vermehrt auf Online-Influencer statt auf Prominenz aus Film und Fernsehen.

Der Begriff Influencer leitet sich aus dem englischen Wort „influence“ ab, welches ins Deutsche übersetzt „Einfluss“ bedeutet. Influencer sind Personen der Internetöffentlichkeit, die andere Personen aufgrund ihrer Reichweite, ihres Status oder ihrer Berühmtheit beeinflussen. Die sogenannten Meinungsmacher stehen für kein bestimmtes Content-Format und für kein spezielles Medium. Sie engagieren sich u.a. auf YouTube, Instagram, Twitter, Snapchat und auf Facebook. Aus wissenschaftlicher Betrachtungsweise zählen auch erfolgreiche Blogger und Journalisten zu den Influencern (vgl. Schlüter 2013, S. 41). Generell kann man Influencer in zwei Kategorien aufteilen: Diejenigen, die stark vernetzt sind, eine große Reichweite haben und sich nicht auf ein Thema bzw. Bereich festlegen und diejenigen, die als Experten auf ihrem Gebiet gelten und somit als angesehene Meinungsführer innerhalb einer spezifischen Szene geschätzt werden (vgl. Gondorf 2015).

Erfolgreiche YouTuber oder Blogger verfügen nicht nur über beträchtliche Reichweiten im Netz, sondern besitzen aufgrund ihrer Expertise in der jeweiligen Branche die notwenige Authentizität und eine treue Fanbase. Auffällig ist, dass einige Blogger unter Authentizität auch eine einheitliche Gestaltung des Bildlooks verstehen. So nutzen sie bestimmte Filter, um die Fotos nachträglich zu bearbeiten, oder sie entwerfen einen farblich einheitlichen Feed bspw. über Fashion Style.

Kooperiert also ein Unternehmen mit einem adäquaten Meinungsmacher mit einer reichweitenstarken Community, so kann sich nicht nur die Reichweite einer Marke oder eines Produkts multiplizieren, sondern vor allem auch die Akzeptanz in der entsprechenden Zielgruppe. Influencer Marketing, häufig auch Multiplikatoren-Marketing genannt, hat im Jahr 2016 einen regelrechten Boom erlebt und wird sicherlich auch in Zukunft ein zentrales Thema im Bereich des Social Media Marketings darstellen (vgl. Talkwalker 2016).

Im Zuge dieser Arbeit soll das Potential von authentischen Influencern als Markenbotschafter für etablierte Unternehmen untersucht werden. Dazu werden im ersten Teil wichtige Social Media-Plattformen und -Nutzungsmöglichkeiten dargestellt, bevor im zweiten Teil die Online-Kommunikation mit ihren Chancen und Risiken, der Einfluss von Meinungsmachern und die Wirkung von Influencer Marketing aufgearbeitet werden. Im Zuge dessen wird eine viel beachtete Social Media-Kampagne von Bianca Heinicke und dm-drogerie markt GmbH & Co. KG (im Folgenden kurz „dm-drogerie markt“ bzw. bei fokussierter Betrachtung der deutschen GmbH & Co. KG kurz „dm Deutschland“) aus dem Jahr 2015 untersucht und herausgearbeitet, welche Parameter und Faktoren für den erwiesenen Erfolg dieser Kooperation maßgebend waren und die nachfolgenden Forschungsfragen beantwortet:

  • Wie zielführend ist es, sich bei der Einführung eines neuen Produkts ausschließlich auf Social Media Marketing zu fokussieren, um Aufmerksamkeit und Abverkauf zu generieren?
  • Kann die Kooperation zwischen Heinicke und dm Deutschland als Musterbeispiel für ein erfolgreiches Influencer Marketing in den sozialen Netzwerken dienen?

Im nachfolgenden Kapitel werden zunächst die theoretischen Grundlagen gelegt. Im Anschluss wird dann die methodische Herangehensweise an die Aufgabenstellung aufgezeigt. Eine Präsentation der Ergebnisse und eine Diskussion runden die vorliegende Arbeit ab.


Literatur
ARD/ZDF-Medienkommission (2017). ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 - Neun von zehn Deutschen sind online. Bewegtbild insgesamt stagniert, 10 während Streamingdienste zunehmen - im Vergleich zu klassischem Fernsehen jedoch eine geringe Rolle spielen. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/ardzdf-onlinestudie-2017/ (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).
Gondorf L (2015). Auf Vertrauensbasis: Ist Influencer Marketing der neue König des Contents? http://www.absatzwirtschaft.de/ist-influencer-marketing-der-neue-koenig-des-contents-60967/ (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).
Heintze R (2018a). Social Media-Atlas. https://www.faktenkontor.de/tag/social-media-atlas/ (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).
Heintze R (2018b). Social Media „to go“ auf Rekordhoch – vor allem per Smartphone. https://www.faktenkontor.de/pressemeldungen/social-media-to-go-auf-rekordhoch-vor-allem-per-smartphone/ (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).
Hettler U (2010). Social Media Marketing. Marketing mit Blogs, Sozialen Netzwerken und weiteren Anwendungen des Web 2.0. München.
Nielsen (2015). Die beste Werbung machen Freunde und Bekannte – Deutsche vertrauen auf persönliche Empfehlungen. http://www.nielsen.com/de/de/insights/reports/2015/Trust-in-Advertising.html (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).
Schlüter J (2013). Social Media Marketing für Unternehmer. Der 30-Minuten-Faktor. München.
Talkwalker (2016). Das sind die Top Social Media Trends 2017. https://www.talkwalker.com/de/blog/das-sind-die-top-social-media-trends-2017 (zuletzt zugegriffen am 15. September 2018).