Soll der öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitrag steigen? Ein Meinungsbild zwischen Ablehnung und Zustimmung.

Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

21.06.2023

Die Kontroverse um die Erhöhung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühr geht in die letzte Runde. Beide Seiten, öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Politik, haben sich in den letzten Monaten in aller Öffentlichkeit positioniert, bevor voraussichtlich ab Februar 2024 über die Festsetzung des Rundfunkbeitrags in den Bundesländern entschieden wird. 

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) berechnet gegenwärtig den Bedarf für die Beitragsperiode 2025 bis 2028. In diesem Kontext sind die Sonderrücklagen ebenso zu berücksichtigen wie die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die Rationalisierungsmaßnahmen einbeziehen. Hierbei ist zu bedenken, dass jährlich schon circa neun Milliarden Euro an Gebühreneinnahmen bei ARD, ZDF, Deutschlandradio und Arte verbucht werden.

Paradoxerweise wurde in den Medien bereits im März 2023 darüber berichtet, dass die ARD eine weitere Erhöhung des Rundfunkbeitrags plant. Umso erstaunlicher bei einem deutlichen Einnahmenüberschuss in der laufenden Beitragsperiode, aufgedeckten Skandalen bspw. bei der ARD-Anstalt Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und exorbitanten Jahresgehältern der Spitzenkräfte, die mehr als 400.000 Euro verdienen können (das Gehalt des WDR-Intendanten liegt bei rund 416.000 Euro und fällt deutlich höher als das des NRW-Ministerpräsidenten).

Theoretische Ansätze zur Sparsamkeit gibt es reichlich für die öffentlich-rechtliche Senderfamilie von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit 20 Fernseh- und 70 Hörfunkprogrammen, die allerdings zu selten Gehör finden. Mehrere Ministerpräsidenten, bspw. die Regierungschefs Bayerns (Markus Söder), Brandenburg (Dietmar Woidke) und Sachsen-Anhalts (Reiner Haseloff) lehnen eine Erhöhung der Rundfunkgebühr ab. Sie argumentieren u.a., dass keine umfassenden Reformvorschläge vorliegen, es zu vieles vom Gleichen und zu viele Unterhaltungsprogramme gibt. Hinzu kommt, dass junge Menschen die Rundfunkgebühr bezahlen müssen, aber kostenpflichtige Videostreaming-Dienste präferieren: 55% der 16- bis 29-Jährigen nutzen regelmäßig Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video, Sky Ticket oder Apple TV+ (vgl. Bitkom-Research 2022). Mir scheint, wir brauchen in Deutschland eine breite Diskussion über die Rundfunkgebühr und die damit verbundenen Ausgaben, weil alle Bürger davon betroffen sind. Allerdings ohne das bewährte Rundfunksystem infrage zu stellen.

Letztlich beschließen aber die Volksvertreter in den 16 Landesparlamenten darüber, inwiefern eine Gebührenerhöhung erfolgt und in welcher Höhe. Insbesondere weitgehend unbekannte Abgeordnete sind jedoch bei der Abstimmung in gewisser Weise voreingenommen, denn sie sind auf die öffentlich-rechtlichen Regionalprogramme ausdrücklich angewiesen. Ohne eine Berichterstattung über ihre Aktivitäten in den Wahlkreisen erreichen sie zumeist nicht die Wählerschaft. Fürwahr ein schwieriges Unterfangen bei der Abstimmung über eine Erhöhung der Rundfunkgebühr, wenn Parlamentsabgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Länder nur gemeinsam von der KEF-Empfehlung abweichen können.

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Die öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühr ist Verhandlungssache.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

22.08.2019

Alle Jahre wieder – in etwa so regelmäßig wie Schaltjahre anfallen – beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, inwiefern der Rundfunkbeitrag verfassungskonform ist. Und welch Überraschung, auch im Juli 2018 bestätigten die Richter des Ersten Senats, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk "wesentlich" für die Demokratie sei und auch die Höhe der Rundfunkgebühr von derzeit monatlich 17,50 Euro gerechtfertigt.

Man kann diese Entscheidung als pragmatisch bezeichnen, damit kein Streit um das öffentlich-rechtliche (ö.-r.) System aufs Neue entfacht wird. Aber das ist definitiv zu kurz gedacht, denn die ARD fordert bereits die Rundfunkgebühr ab 2021 zu erhöhen, um diese der Inflation anzupassen. Anderenfalls, so der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm „kommen wir am gewaltigen Kürzen der Programme nicht vorbei“, berichtet das „Handelsblatt“.

Aber was wäre schlimm daran, wenn ö.-r. Programme gekürzt werden, fragten mich erst kürzlich Studenten an der SRH Fernhochschule? Sie finden wie viele andere Gebührenzahler den Grundversorgungsauftrag mit 20 ö.-r. Fernsehsendern und 70 Hörfunkprogrammen überdimensioniert. Brauchen die deutschen Haushalte wirklich diverse Sparten- und mehrere Kulturprogramme, die lediglich einige hunderttausende Zuschauer finden? In diesem Kontext bleibt auch zu klären, warum Rundfunkanstalten wie zum Beispiel Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk, die sich nicht selbst finanzieren können, weiterhin subventioniert werden sollen.

Und wie erkläre ich meiner Nachbarin, die von einer schmalen Rente lebt, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio die Rundfunkgebühr von 210,00 Euro jährlich für die Programmgestaltung nicht ausreichen und deshalb auf eine Erhöhung drängen? Und dies bei 8 Milliarden Euro an Gesamterträgen, die 2017 eingenommen wurden? Ja, richtig gelesen: Achttausend Millionen. Diese Summe entspricht circa 50% der Haushaltsmittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die deutschlandweit 2018 für staatliche Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgegeben werden.

Mir fehlt es jedenfalls nicht an Fantasie, auf welche Weise Kosten einzusparen sind. So könnte bspw. das derzeit doppelte ö.-r. Korrespondentennetz mit weltweit rund 50 Auslandsstudios erheblich reduziert werden. Oder es könnten die Sparten- und Kulturprogramme zusammengelegt werden. Oder es könnten ARD-Landesrundfunkanstalten fusionieren, um Einsparungen in den Bereichen Technik, Verwaltung und Personal vorzunehmen. Oder es könnte die allzu seichte Unterhaltung aus dem Programm genommen werden, die zur Verflachung des Programms beiträgt.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Es steht außer Frage, dass der ö.-r. Rundfunk unverzichtbar ist. Neuorganisiert wurden die ö.-r. Sender nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel, eine unabhängige, vielfältige Berichterstattung zu gewährleisten. Sie unterscheiden sich in drei wesentlichen Punkten von den privaten Sendern: Zum einen ist die technische Verbreitung so ausgelegt, dass ARD und ZDF für jeden erreichbar sind. Zum anderen sind die ö.-r. Anstalten auf Grund der Rundfunkgebühr nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen und müssen somit nicht an ihren Einschaltquoten gemessen werden. Darüber hinaus haben sie die Aufgabe, ein inhaltlich umfassendes Programmangebot aus Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung für alle Zielgruppen zur Verfügung zu stellen, um die sogenannte Grundversorgung sicherzustellen.

Fassen wir zusammen: Die öffentliche Kommunikation – Grundversorgung und Auftrag – muss weiter gesichert werden. Es ist jedoch an der Zeit, den Fokus der ö.-r. Anstalten neu auszurichten, um unter anderem die jüngeren Zielgruppen wieder mehr anzusprechen und zu hinterfragen, ob der Auftrag der Grundversorgung noch in angemessenem Maße erfüllt wird. Aber ein wenig Einsicht oder gar Demut bei den ö.-r. Rundfunkanstalten – verbunden mit umfassenden Sparmaßnahmen – könnte wahrlich nicht schaden. Ansonsten drohen 2019 schwierige Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, die heute schon einen automatisch steigenden Rundfunkbeitrag ablehnen.