USP. Das Alleinstellungsmerkmal.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

2022



Der nachfolgende Beitrag stammt aus dem Bestseller: Hermanni, Alfred-Joachim (2022). Business Guide für strageisches Management. 50 Tools zum geschäftlichen Erfolg. 2. Auflage. Wiesbanden: Springer Gabler   https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-37742-7



Was passiert, wenn in einer Einkaufsstraße zehn Geschäfte eine nahezu identische Warenauswahl zu vergleichbaren Preisen anbieten, aber das Angebot die Nachfrage übersteigt?

Die Kunden zeigen sich irritiert, wenn nicht sogar verärgert und wechseln zu Verkaufsstätten mit alternativem Sortiment. Logisch: Falls keine wirkliche Warenauswahl vorhanden ist (z. B. hinsichtlich Qualität, Haltbarkeit, Design, Herstellungsverfahren, Preis) bleiben Kunden weg, woraufhin einige Geschäfte schließen müssen. Manche Leute finden das sogar im Sinne einer Marktbereinigung völlig in Ordnung.

Wie hoch ist Ihr Leidensdruck, wenn Ihnen Ähnliches bevorstehen könnte? Und was kann Ihr Unternehmen  besser als der Wettbewerb – z. B. ein branchenspezifisches Problem verstehen, es ambitioniert analysieren sowie schnell und erfolgreich lösen?

Gehen wir pragmatisch vor. Finden Sie Instrumente zur Konkurrenzfähigkeit, die perfekte Unique Selling Proposition (USP). Schlagen Sie mit dem Alleinstellungsmerkmal auf zum Matchpoint und besiegen den Wettbewerb. Am Ehesten gelingt Ihnen dies, wenn ein Firmenprofil authentisch, nachvollziehbar und einzigartig ist:

  • Worin liegt der präzise Nutzen für die Zielgruppe? Etwa darin, dass Ihr Betrieb eine Expertise (verbunden mit einer neuen Sichtweise) bei der Harmonisierung von IT-gesteuerten Controlling-Aufgaben vorweisen kann?
  • Kann man aus Ihren außergewöhnlichen Kenntnissen und praktischen Erfahrungen eine Marke entwickeln? Weil Sie vielleicht ein seltenes Studium mit Auszeichnung absolviert haben, hervorstechende Methoden anwenden oder weil Ihr Name in Fachkreisen überaus angesehen ist?
  • Wodurch unterscheiden sich Ihre Produkte/Dienstleistungen von denen der Konkurrenz? Vielleicht durch außergewöhnliche Qualitätsmerkmale bzw. durch einen besonderen Liefer- oder Verpackungsservice? Und worin liegt das Besondere an Ihrem Angebot, das fremde Firmen vernachlässigen?

„Alles, nur nicht vergleichbar“, muss die Devise sein. Weshalb ist das wichtig? Jeff Bezos (*1964), der Gründer von Amazon, argumentiert, dass es am gefährlichsten sei, sich nicht von den anderen (Gewerben) zu unterscheiden. Er (Bezos) wolle Sachen erfinden, die den Leuten anfangs ungewöhnlich vorkommen, aber einige Jahre später für alle normal sind.¹

Was sollten Sie auf jeden Fall tun? Wenn Sie wirklich Geld verdienen wollen, dann analysieren Sie im Vorfeld eigener marketing- und vertriebsrelevanter Strategien stets zuerst die geschäftliche Ausrichtung der größten Mitbewerber. Aus diesem Grunde eruierten eine Mandantin von mir, die sich als internationale Mediavermarkterin niederlässt, und ich die Geschäftsfelder konkurrierenden Unternehmen.  Binnen kurzem wurde uns deutlich, dass diese bevorzugt im westeuropäischen Raum oder in denjenigen Ländern aktiv sind, in denen sie eigene Verlagstitel anbieten. Hinzu kam, dass sich die Mitbewerber nicht auf Sparten fokussieren (z. B. Wirtschaft, Kultur oder Reisen) und somit als Generalisten zu betrachten sind. Angesichts dieser Erkenntnisse konzentriert sich meine Mandantin auf den osteuropäischen Raum und beim Outbound-Business auf international meistgefragte Zeitschriftentitel aus den Bereichen Life Style (z. B. Mode, Gesundheit, Möbel), Frauen und Global Player (z. B. Airlines).

Wie Sie unschwer feststellen können, entsteht eine USP idealerweise über ein neues Patent, eine bahnbrechende Technologie, eine herausragende Dienstleistung, ein branchenunübliches Qualitätsversprechen oder ein extrem kostengünstiges Angebot. Die Raffinesse dabei ist, eine nachhaltige Wettbewerbsdynamik zu erzeugen, die den bisherigen Status quo eines oder mehrere Konkurrenzangebote verändert.

Ein perfektes Beispiel für ein Alleinstellungsmerkmal liefert uns die Firma RATIONAL in Landsberg am Lech. RATIONAL ist der weltweite Markt- und Technologieführer für innovative Lösungen zur thermischen Speisenzubereitung in den Profiküchen der Welt (Marktanteil von über 54 %). Faktisch hat sich die Firma auf ein intelligentes Gerät konzentriert, das verschiedene Speisen gleichzeitig garen kann, entsprechend dem ausgewählten Wunschergebnis des Küchenchefs.

Ich wiederhole: Eine Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern kann durch Exklusivität, durch marktbeherrschende Stellung oder durch einen Zusatznutzen erreicht werden. Kurzum: Be different und strebe möglichst eine Monopolstellung an, beispielsweise wie die Marken Deutsche Bahn, Duden oder Google. Diese Marken stehen als Synonyme für Schienenverkehr, deutsche Rechtschreibung und Suchmaschinen.

Vernünftig ist es von jeher, eine Nische zu besetzen, auch wenn diese von geringem Ausmaß ist. Es ist ein Irrtum, dass wenn man sein Leistungsspektrum erweitert, mehr Kunden zu gewinnen sind. Ganz im Gegenteil sucht der konventionelle Kunde einen Spezialisten und keinen Gemischtladen mit einem breiten Sortiment. Stellen Sie sich deshalb lieber spitz statt breit auf, denn weitläufige Angebote bringen selten mehr Umsatz. So könnte sich eine Firma beispielsweise auf die Reinigung, Entkalkung sowie Reparatur- und Wartungsdienste für Kaffeemaschinen eines bestimmten Herstellers spezialisieren. Produkte anderer Hersteller werden nicht betreut. Dafür garantiert man dem Kunden, dass man immer die passenden Ersatzteile bereit hält, einen unverzüglichen Standby-Service bietet und Experten die Arbeiten ausführen.

Oder man findet ein Nischengeschäft durch Experimentieren wie einst die Gründerväter von Coppenrath & Wiese(C&W) aus dem Tecklenburger Land. In den 1970er Jahren kamen sie auf den Einfall, Kuchen und Torten durch Schockfrosten schonend zu konservieren und damit lange haltbar zu machen. Durch dieses Verfahren erschloss sich ihnen mittlerweile ein gewaltiger Warenverkauf: Tiefkühltorten aus dem Hause C&W decken einen Marktanteil von ca. 80 % ab.

Wer kein Monopol bzw. ein herausstechendes Alleinstellungsmerkmal aufweist, kann über den Preis die Konkurrenz aus dem Feld schlagen (vgl. Kap. Preisfindung): Kostenführerschaft meint, dass ein Unternehmen in der Lage sein muss, seine Herstellungskosten innerhalb der Wertschöpfungskette derart zu senken, dass ihm dadurch ein Wettbewerbsvorteil entsteht.² 

Wertschöpfung ist ein vielseitig interpretierbarer Begriff in wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen. Man kann darunter die Differenz zwischen Input und Output als Nutzen verstehen, als Wertbeitrag betrieblicher Aktivitäten, als Wertsteigerung für Investoren oder als Nutzen für Kunden durch Qualität bzw. eine optimale Leistungserbringung.³

Die spanische Bekleidungskette Zara erlangt beispielsweise einen Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten, indem sie ihre Wertschöpfungskette derart perfekt durchorganisiert, dass sie in lediglich 15 Tagen eine neue Mode kreieren, anfertigen und weltweit in ihre Shops liefern kann. Sogar Umstellungen von Modelinien innerhalb einer Saison lassen sich geschwind vollziehen. Das rasante Tempo lässt sich nur deshalb bewältigen, weil Zara rund die Hälfte der Kleidungsstücke in eigenen Fabriken produziert (überwiegend komplizierte Teile) und die gesamten Produktions- und Vertriebsstationen eigenständig abwickelt. Kurz und bündig: Die Branche staunt über diesen eng gefassten Zeitplan und kann weder bei der Geschwindigkeit noch bei den schnellen Abstimmungsprozessen zwischen Design, Marketing, Lagerung, Vertrieb und Logistik mithalten.

Besonders kritisch wird es für Firmen, wenn ihre Angebote als austauschbar gelten, was die Suche nach einem USP erheblich erschwert. Denken wir dabei einmal an die Mobilfunkbranche, die nahezu identische Tarife, Optionen und Smartphones offeriert. Punkten kann man häufig allein über einen exzellenten Kundenservice. Doch wie verschafft man sich hier einen Vorteil? Die erste Antwort lautet: Spezielle Bedürfnisse der Zielgruppen über die Marktforschung untersuchen und auswerten, Konsumenten in Gruppen wie Schnäppchenjäger, Gewohnheitskäufer und Verlustaversive  typisieren und individuell zugeschnitte Angebote unterbreiten.

Ich liefere Ihnen ein weiteres Beispiel. Wenn ich mit Immobilienmaklern spreche, bin ich immer wieder verwundert, dass diese entweder alle Zielgruppen bedienen oder sich auf Luxusobjekte spezialisiert haben. Mehr fällt den meisten Maklern in einem übersättigten Markt nicht ein. Meinen Mandanten aus der Immobilienbranche gab ich den Rat, die 50plus-Menschen als Zielgruppe zu fixieren. Ende Dezember 2020 waren 28,9 % der Bevölkerung Deutschlands über 60 Jahre alt sein.  Man kann den heutigen Best Agern (Generation 50plus) viele Wohnmodelle für den Ruhestand anbieten: Mehrgenerationenhaus, Seniorenresidenz, betreutes Wohnen, Wohngemeinschaft, Nießbrauch an einer Wohnung oder einem Haus. Falls Ihnen diese Variante nicht zusagt, wie wäre es mit einer Spezialisierung auf „Nachhaltiges Bauen und Wohnen“? Dazu fallen mir Themen ein wie Wohnungsbau unter gesundheitlichen Gesichtspunkten, naturnahes Domizil, ökologisch optimierte Haustechnik einschließlich Energie- und Wasserversorgung, Aspekte der Langlebigkeit von Materialien und Verwendung von Produkten, die weniger umweltbelastend sind als konventionelle.

Gerade wenn man mit einem jungen Unternehmen einen reiz- und wettbewerbsüberfluteten Markt betritt, ist die Konkurrenz zunächst überlegen, weil sich diese hinreichend positionieren konnte. Um möglichst günstige Startbedingungen vorzufinden, hat sich ein in der PC-Branche tätiger Firmengründer vor seinem Markteintritt beraten lassen. Anstatt branchenüblicher Vorgehensweise empfahl ich, auf einen USP-Mix aus erstklassigem Service und Kostenreduktion zu setzen:

  • Erreichbarkeit auch außerhalb der üblichen Geschäftsstunden.
  • Vorabdiagnose gratis zur Feststellung technischer Probleme.
  • Zeitgemäße, vielfältige Vertriebswege inkl. Vor-Ort-Service.
  • Reparaturkosten unterhalb der Preisangebote regionaler Mitbewerber.

Der Rat hat sich inzwischen rentiert, zumal die Konkurrenz mit ihren aufgeblasenen Verwaltungsapparaten und Mitarbeiterstäben bei diesen Versprechen nicht mithalten kann. Alle Theorie ist grau, weshalb Sie bitte immerzu auf die USP Ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verweisen sollten – nicht nur im direkten Geschäftsverkehr, sondern bei sämtlichen Marketing- und Vertriebsaktivitäten, die Erwartungen bei einer Zielgruppe wecken.

Wie kann das gehen? Das will ich Ihnen gerne beweisen. Sie könnten etwa bei firmeneigener Werbung diverse Auswahlmöglichkeiten hervorheben: „Wir kennen 25 Wege, um Ihr Geschäft finanziell abzusichern“ oder „9 Strategieprogramme zur freien Auswahl beim Abschluss eines Wartungsvertrages“.

Oder Ihr Unternehmen könnte ein Zukunftsversprechen ähnlich wie Schwäbisch Hall  abgeben: „Wenn Sie innerhalb von 12 Monaten eine Störung bei unserem Gerät nicht selbst beheben können, bringen Sie es zurück und wir tauschen es kostenlos um.“ Alternativ: „Geld-zurück-Garantie für 3 Jahre, wenn Sie nicht mit dem Produkt zufrieden sind.“

Unter Umständen betonen Sie einen außergewöhnlichen Kundendienst: „Nur ganz wenige PC-Dienste arbeiten von 08:00–22:00 Uhr.“ Oder: „Wir holen Ihr Auto abends zur Inspektion ab und bringen es gewartet morgens zur gewünschten Zeit zurück.“

Gegebenenfalls können großzügige Preisrabatte wie bei Elektronikketten eingeräumt werden: „Wir verkaufen die gleichen Produkte wie der Markt – aber deutlich günstiger.“

Eventuell offerieren Sie sogar einzigartige Garantien à la Meister Proper : „Langfristige Wert- und Haltbarkeitsgarantie.“ Oder: „Kostenloser Parkservice für Stammkunden.“

Gegebenenfalls bürgt Ihre Firma im Stil von Audi  für eine ausgezeichnete Qualitätszusage: „Lediglich 20 Händler entsprechen den Warenrichtlinien des deutschen Prüfungsinstituts. Wir gehören dazu.“

Hand auf’s Herz: Sie müssen das USP-Versprechen unbedingt einhalten. Das ist Auslöser und Beweggrund, weshalb Ihre Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten an das Alleinstellungsmerkmal glauben und mit Ihnen Geschäfte machen wollen.




¹ Vgl. Bezos, J. (11.10.2012). Dpa-Interview. www.zeit.de/news/2012-10/11/internet-amazon-chef-jeff-bezos-im-dpa-gespraech-11192604.

² Vgl. Porter, M.E. (1985). Competitive Advantage – Creating and Sustainin Superior Performance. New York: Free Press.

³ Vgl. Wanderer R. & Jaritz, A. (1999). Unternehmerisches Personalcontrolling -Evaluation der Wertschöpfung im Personalmanagement. Neuwied: Luchterhand. S. 8